Über Euer sehr postives Feedback zur gestrigen Präsentation desSew-Along habe ich mich sehr gefreut - und freue mich ebenso, Euch nun zur ersten Buchvorstellung wieder zu sehen!
Beim Planen dieser Beitragsreihe, bei der Durchsicht meiner japanischen Näh-Bücher und nicht zuletzt mit der Notwendigkeit einer gewissen Strukturiertheit fielen mir manche Dinge und Aspekte auf, die ich den ersten beiden Buchvorstellungen vorausschicken möchte.
Zum ersten nämlich: Was heißt „Japanisch nähen“? Weshalb tragen die Schnitte, die hier besprochen werden sollen, stets dieses Länderlabel, das ihnen eine gewisse Exotik einhaucht? Eine Exotik, die es ihnen doch gar nicht einhauchen soll, schließlich geht es eben darum, die daraus entstehenden Kleidungsstücke als alltägliche Stücke zu tragen – in meiner persönlichen Herangehensweise selbstverständlich, darin aber ganz grundlegend. Dass die Schnitte und Kleidungsstücke auf welche Weise auch immer „besonders“ sind, dass sie von „üblichen“ mitteleuropäischen Silhouetten abweichen – dies ist nur schwer zu thematisieren, wenn man nicht in eben jene oberflächlichen Klischees fallen möchte: Wie international ist Mode, wieviel Lokalkolorit trägt sie? Was verstört wen und wo, was gilt als glatt und unauffällig? Schließlich: Was beabsichtigt jeder einzelne, indem er bestimmte Kleidungsstücke trägt, und bestimmte Kleidungsstücke eben nicht trägt?
All diese Fragen möchte ich beiseite lassen, schlicht und ergreifend aus dem Grund, weil ich ihnen keine herausragende Rolle zuschreibe – ebensowenig, wie ich dem Label „japanisch“ eine herausragende Rolle zuschreiben möchte, und dies noch weniger eben nachdem ich meine Näh-Bücher-Bibliothek mit distanziertem Blick betrachtet habe. Denn es handelt sich zwar bei den Autorinnen und Büchern, die ich Euch vorstellen möchte, um Schnittmusterdesignerinnen, die ihre Nationalität verbindet; die aber ihr individueller Stil, ihre individuelle Herangehensweise und Konzeptionsweise von Mode, von Tragbarem und Kombinierbarem, wiederum zum Teil weit auseinander treten lässt. Nicht so sehr „japanisch Nähen“ also, sondern viel mehr „Yoshiko Tsukiori nähen“, „Natsuno Hiraiwa nähen“ usw.
So tragen zwar die beiden nun auf Deutsch vorliegenden Bände von Yoshiko Tsukiori den Titelzusatz „Japanisches Modedesign zum Selbernähen“, doch möchte ich dem im Folgenden und aus den genannten Gründen keine weitere Bedeutung beimessen. „Modedesign zum Selbernähen“, dies sehr wohl: Und wie nun wäre das Modedesign zu beschreiben, zu dem die beiden BücherKleider, Tops und Hosen und Kleider und Tops zum Kombinieren(beide erschienen im Stiebner Verlag) einladen?
Ihr findet in den Büchern eine Vielzahl an unterschiedlichen Modellen: vorwiegend Kleider und Tuniken, auch einige Blusen- und Hosenschnitte, sowie ungefütterte Mäntel oder ‚Mantelkleider‘.
Der Stil ist schlicht und geradlinig – er hat etwas durchaus Verspieltes, mit wenigen, wohl dosiert angebrachten Rüschen; er hat stets etwas Zurückhaltendes, gelegentlich Jugendlich-Sportliches, immer Stilvolles, beinahe Klassisches.
Tsukiori arbeitet mit exakt gelegten Falten, Kräuselungen und Smokpartien. Die Stücke sind großzügig und luftig geschnitten – das oftgenannte Vorurteil des „Sackigen“ japanischer Schnitte mag hier auf den ersten Blick durchaus zutreffen: Die meisten Schnitte kommen ohne Verschluss aus, es sind in der Mehrzahl reine Schlupfteile aus Webware.
An dieser Stelle wäre wohl auch die zugrundeliegende Maßtabelle zu thematisieren – und zugleich die Frage, wie die Schnitte auf „europäische“ Silhouetten angeglichen werden können. Zwar scheinen sie in ihrer Großzügigkeit, mit ihren weiten Ärmeln und überschnittenen Schultern der aktuellen Mode entgegen zu kommen; wer aber figurbetontere Formen vorzieht, der kann z.B. mit Taillenbändern experimentieren, die in der Seitennaht mitgefasst werden können. Ich wäre sehr gespannt auf Eure Lösungen, und insbesondere auf Eure Erfahrungen bei der Längenanpassung!
Entworfen sind die Schnitte für eine Körpergröße von 1,60m; in der Weite rangieren sie – notdürftig und intuitivübertragen auf ein deutsches Größensystem – in etwa zwischen Gr. 32 und 40. Mir selbstkommt das sehr entgegen, und dies ist sicherlich einer der Gründe für meine Vorliebe für diese Schnitte: Ich komme in der Regel ohne Änderungen zurecht. Nichtsdestotrotz möchte ich auch größere Näherinnen ermutigen, sich die Schnitte anzusehen; wenigstens meinem Eindruck nach wären Längenänderungen nicht allzu schwer vorzunehmen, weil die Schnitte sehr klar und schematisch sind.
Eines meiner Lieblingsstücke – enthalten in dem Band Kleider und Tops zum Kombinieren– ist das „Kleid mit Dreiviertelärmeln und tiefer Taille“, eines jener luftigen Stücke, das zugleich das Vorurteil der „Sackigkeit“ Lügen straft: Taille, ja – als Taillenband, in das Ober- und Rockteil gekräuselt werden, und das leicht hüftig sitzt.
Ihr seht das Kleid hier exakt nach Schnitt genäht – die Proportionen stimmen.Und auch das „Mantelkleid mit tiefer Taille“ aus demselben Buch habe ich ohne Änderungen genäht; hier mag sich manch einer eine stärkere Taillierung wünschen – mir reicht die Kombination mit einer schmalen Hose und Bluse, um das Gesamtbild nicht unförmig wirken zu lassen.
Die Frage des „Styling“ dieser Klamotten, die Frage nach passenden Kombinationen wird sicherlich viel hergeben – und ich freue mich darauf, zu sehen, wie Ihr die Stücke tragen werdet.
Während der blaue Band Kleider und Tops zum Kombinieren die einzelnen, je für sich sehr reizvollen Modelle – Blusen, Tuniken, Kleider und den gezeigten Mantel – eher unverbunden nebeneinander stellt, reiht das Buch mit dem roten Cover – Kleider, Tops und Hosen– die Schnitte in sechs Kategorien ein, die schon für sich selbst sprechen: „angeschnittene Ärmel“, „ohne Abnäher“, „gerader Schnitt“, „Hosen“, „Raglanärmel“, „mit Abnähern“. In jeder dieser Sparten finden sich mehrere Schnitte untereinander wiederum recht unterschiedlicher Modelle. Die Kapitelüberschriften folgen im Prinzip jenem Stichwort der Form, der Figurnähe bzw. –ferne, das den japanischen Schnitten viel begegnet. Wieder sind es vor allen Dingen Tuniken und Kleider, einige kürzere Blusen und drei Hosen- bzw. Overallmodelle; wieder arbeitet Tsukiori mit strukturierten Uni-Stoffen,leichten Blumendrucken und großen Karos.
Im Blog habe ich gestern bereits ein Modell gezeigt: Eine Tunika mit Raglan-Ärmeln, die an der vorderen Ärmelnaht gerafft werden.
In beiden Büchern sind die Anleitungen in jedem Arbeitsschritt vom Zuschnitt bis zu den Knopflöchern ausführlich bebildert, die Skizzen zeigen exakt die einzuhaltenden Maße von Säumen, Falten und Kräuselungen. Dennoch würde ich die Modelle als durchaus anspruchsvoll, und nicht sämtlich als anfängertauglich einstufen. So einfach die Schnitte wirken und so einfach sich die Modelle tragen – der Teufel steckt häufig im Detail: in filigranen Schlaufen und exakt aufeinander zu steppenden Kanten, die handwerklich herausfordern und exaktes Bügeln, Heften und Nähen einfordern.
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Es lohnt sich, die Schnitte je einzeln auszumessen – meiner Erfahrung nach kann bei den gekräuselten, luftigen Modellen durchaus die kleinere Größe gewählt werden, bei den ‚glatten‘ Modellen habe ich bislang eher die größere Nummer gewählt und bin damit gut gefahren. Das wiederum bedeutet gleichzeitig, dass man keineswegs so zierlich sein muss wie die Models in den Büchern - ich würde vermuten, dass die größte verfügbare Größe durchaus mehr "Platz" lässt, als es die Maße in der Maßtabelle scheinen lassen.
Bei Unsicherheiten empfiehlt sich in jedem Fall ein Probemodell, zur Not aus ausgedienter Bettwäsche – das kann auch helfen bei der Auswahl eines geeigneten Stoffes. Auf die Stoffwahl ist sicherlich besondere Aufmerksamkeit zu verwenden – als Freundin von Naturfaser habe ich mich zu Beginn schwer getan, den richtigen Stoff zu finden, weil die amerikanischen Designerstoffe häufig zu grob für die filigranen Modelle sind, und zu schwer, wenn sich durch die Kräuselungen sehr viel Stoff sammelt. Das oben gezeigte „Kleid mit tiefer Taille“ ist aus leichter Popeline genäht, die die Kräuselungen gut verträgt und gleichzeitig genug Festigkeit hergibt an Ärmelsäumen und Halsausschnitt.
Leinenstoffe oder Baumwoll-Leinen-Mischungen werden häufig empfohlen, oder auch Batist- und Voilestoffe.
Eine längere Suche nach dem richtigen Material macht sich sicherlich bezahlt, auch wenn beim Austesten evtl. die ein oder andere negative Erfahrung anfallen muss. Bestimmt gelingt es uns im Sew-Along, uns gemeinsam an diese Frage heranzutasten und gegenseitig aus unseren Erfahrungen zu lernen.
Nun danke ich nicht nur dem Stiebner Verlag für die freundliche Bereitstellung der Rezensionsexemplare – sondern auch Euch für die Ausdauer beim Lesen. Es wäre mir eine große Freude, wenn Ihr nun neugierig wärt auf diese Bücher – und nicht zuletzt auf den Sew-Along. Morgen und übermorgen geht es weiter mit weiteren Buchvorstellungen, und am kommenden Montag möchte ich fragen: Macht Ihr mit? Schließt Ihr Euch an? Und welche Bücher haben Euer Interesse gefunden?Catrin | :: stoffbüro ::